RespekTIERE deine Grenzen. Selten war dieses Thema so präsent in meinem Leben, wie heute. Innerhalb und ausserhalb meines Körpers. Innerhalb und ausserhalb unserer Gesellschaft. Die Flüchtlinge, die aus Kriegsgebieten zu uns kommen, müssen viele von ihnen überwinden. Viele schaffen es, doch viel zu viele scheitern. Innerhalb oder ausserhalb des europäischen Körpers.
Irgendwie denke ich, dass ein stabiles und funktionierendes Europa – so wie ich es mir wünschen würde – sehr viel von einem gesunden menschlichen Körper lernen kann.
Alle Organe entstammen aus der gleichen Ursprungszelle; haben sich aber im Verlauf der Zeit so weiterentwickelt, dass sie ihre ganz eigene Kultur gebildet haben. Jedes Organ in uns hat seinen individuellen Zweck, kann aber auch nicht ohne das Gesamtkonstrukt „Körper“ überleben. In einem gesunden Körper respektieren alle Zellen ihre eigenen Organgrenzen und ermöglichen uns durch ein sehr komplexes Zusammenspiel von Herzschlag, Blut- und Sauerstofftransport, dass wir überhaupt leben können. Die „Menschen“ in uns – namentlich Blut, Sauerstoff und viele andere Nährstoffe – geniessen auch in unserem Körper eine unbeschränkte „Personenfreizügigkeit“. Der menschliche Organismus ist in sich ein Paradebeispiel für ein respektvolles Miteinander und das Respektieren von Grenzen.
Doch auch unser Körper ist kein komplett abgeschlossenes Gebilde. Er braucht seine Immigranten von aussen, um überhaupt leben zu können. Die Lunge braucht Luft und Sauerstoff zum Atmen. Bleibt dies aus, führt es innerhalb von Minuten zum Tod durch Ersticken. Und so ist auch Europa darauf angewiesen, dass Wege von aussen – die Nase, der Mund – nicht versperrt sind. Auch der gesamte Verdauungstrakt hätte keine Aufgabe mehr, wenn ihm nicht regelmässig Nahrung zugeführt würde, die er verarbeiten und in die einzelnen Mitgliedsorgane entsenden kann. Jedes einzelne Landesorgan in unserem Körper hat seine Daseinsberechtigung und Funktion.
Und so frage ich mich: was würde wohl passieren, wenn Speiseröhre und Magen auf einmal ihr eigenes Ding machen würden? Wenn sie ihre Organgrenzen dichtmachen und ihre Transportfunktion in die Tiefen des Körpers einstellen würden. So wie es Österreich und die Balkanstaaten mit den Flüchtlingen aktuell tun. Die Konsequenz wäre ziemlich schnell klar: Erbrechen oder Hungertod!
Natürlich sind nicht alle Umwelteinflüsse, die auf unseren Körper einprasseln, positiv für unser leibliches Wohl. Schädliche Stoffe können zu einem gewissen Grad vom menschlichen Immunsystem erkannt und ausgeschaltet werden. Doch ein Übermass an Zucker, Fett, Stress oder auch das Rauchen schadet unserem Organismus und kann zu Krankheiten wie Diabetes, Organverfettung oder Krebs führen.
Und da stehen wir nun: vor einem Europa, das den Umgang mit den eigenen Grenzen noch lernen muss. Vor einem Europa, das an einer gelebten Grenzenlosigkeit ebenso zugrunde gehen würde, wie an einem Rückzug zur Nationalstaatlichkeit. Europa kränkelt und hat noch keinen Therapieansatz gefunden. Allerdings ist es wohl klar, dass sich kein Organ bei der Behandlung raushalten kann, wenn der Patient vollständig wieder gesunden soll.
In der Onkologie ist die Chemotherapie immer noch die am stärksten erforschte und eingesetzte Therapie, um den Krebs zu bezwingen. Leider birgt sie auch nach Jahren der Forschung immer noch eine Vielzahl an Nebenwirkungen und zerstört neben dem Tumor auch gesunde Zellen.
Doch es gibt Hoffnung. In der Erforschung der Immuntherapie. Sie soll das körpereigene Immunsystem so stark ankurbeln, dass es in der Lage ist, seine Krebszellen selbst aufzuspüren, zu zerstören und abzutransportieren. Doch auch hier ist der ganze Körper gefragt. Jedes Organ muss seine eigenen Grenzen und die des Nachbarstaates RespekTIEREN und gleichzeitig durchlässig für die helfende Medizin bleiben.
Wenn ich an dem Schild RespekTIERE deine Grenzen in unserem Naturschutzgebiet vorbeilaufe, so darf ich das Reservat ja auch betreten. Nur fordert es mich dazu auf, mich an die spezifischen Gesetze der Umgebung zu halten. Grenzenlos war gestern. Es ist Zeit für einen neuen, positiven Umgang mit unseren Grenzen.
Es ist Zeit, unser eigenes Immunsystem wieder zu stärken.
(Dieser Beitrag ist eine Fortsetzung des Blogtextes RespekTIERE deine Grenzen.)