Mutmacher

„Wer (oder was) hat dir während der Brustkrebs-Therapie Mut gemacht, wenn es dir wirklich schlecht ging?“

Mit dieser Frage wurde ich von Amoena zu einer Blogparade eingeladen, um Frauen mit Brustkrebs Mut zu machen. Ich muss gestehen, ich musste eine Zeit lang darüber nachdenken. Es gab ja so viele liebe Menschen, die mir in dieser Zeit gut zugeredet haben. Allen voran mein Mann, der mich in Zeiten der Erschöpfung wieder aufgestellt hat. Aber auch viele Freunde und Familienmitglieder, die sich immer wieder nach meinem Befinden erkundigt hatten.

Ich erinnere mich an einen Tag im Dezember. Ein Tag, an dem der Schrecken der ersten Chemotherapie bereits verflogen war. Ich hatte mir grad eine flotte Kurzhaarfrisur schneiden lassen, um auf den bevorstehenden Haarausfall vielleicht etwas vorbereitet zu sein. Mein Mann – damals noch Verlobter – überraschte mich mit der Aussage: „Komm, pack dich zusammen. Ich habe ein Auto gemietet für eine Überraschung.“

Wir fuhren eine Weile bis wir bei einem Klavierhaus Halt machten. Schon länger hatte ich mit dem Gedanken gespielt, meine Leidenschaft fürs Klavierspielen wieder aufzunehmen und mir ein Digitalpiano zuzulegen. Zehn Jahre hatte ich in meiner Kindheit und Jugend Unterricht genommen. Mein Grotrian Steinweg Klavier stand allerdings immer noch in meinem Elternhaus. Drum entschied ich mich an diesem Tag für ein Mietwohnung-freundliches Zweitpiano, das kurz vor Weihnachten Einzug in unser Zuhause erhalten sollte.

Am Heiligen Abend dann sassen wir unter dem Christbaum, als mein Blick auf einen neuen Klavierhocker fiel. Gepaart mit einem Liederbuch war es ein Geschenk, das mein Mann zusammen mit meinen Freunden für mich organisiert hatte. Und wenn das nicht schon Aufmerksamkeit genug gewesen wäre, so hatten meine Freunde noch eine musikunterlegte Power-Point Präsentation mit Genesungswünschen für mich erstellt.

„Ich bewundere dich für deine Stärke. Du schaffst das mit links.“

„Wer Ausdauer besitzt, ist schon fast am Ziel. Lass dich nicht unterkriegen.“

„Eine grosse Seele redet gelassen und zuversichtlich. So kennen wir dich.“

Dies waren nur einige der lieben Worte, die mir von meinem privaten Umfeld als Auffangnetz geknüpft wurde. Sie haben mich getröstet. Gerührt. Aufgefangen in einer Zeit, in der gute Freunde häufig Mangelware sind und durch unterschiedliche Leben und Karrieren oft unerreichbar scheinen.

Nach einigen Wochen wurde ich dann von meiner Freundin gefragt, ob ich nicht ein Stück auf dem Klavier auf ihrer Hochzeit spielen könnte. Es wäre so ein schöner Beitrag während der standesamtlichen Trauung und es kämen ja auch nur 150 Gäste J. Wer mich kennt, der weiss, wie ungern ich schon als Kind vor der grossen Familienversammlung gespielt hatte. Aber ich nahm all meinen Mut zusammen und sagte zu: für ‚Billy Joel – Just the way you are‘. Ein Lied aus dem Liederbuch eben jener Freunde.

Vom gleichen Tag an sass ich täglich am Klavier und übte; zog meine Energie aus diesem fast vergessenen Hobby und verarbeitete so manche Emotionen, die in Zeiten der Chemotherapie meine Seele belasteten. Der Blick nach vorn, den ich durch meine Klavieraufgabe erhalten hatte, war mein Mutmacher. Es war das Gefühl, dass ich gebraucht wurde, eine Aufgabe hatte, viele liebe Leute an mich dachten in dieser schweren Zeit, und dass mein Leben auch mit Brustkrebs noch ein lebenswertes Leben sein würde.

Am Tag der Hochzeit hatte ich grad sechs Monate Chemotherapie überstanden und fühlte mich körperlich so ausgelaugt, wie noch nie. Aber ich spielte für meine Freundin und ihren Mann. Nahm allen Mut zusammen und setzte mich vor 150 Gästen ans Klavier. Mit Perücke, einem schönen Haarreif darüber und aufgemalten Augenbrauen. Es hat sich gelohnt, den Mut aufzubringen. Denn auch in der dunkelsten Zeit meines Lebens war ich eben ein Teil davon. Teil von einem lebenswerten Leben. Und am Ende erntete ich sogar einen kleinen Applaus dafür…