Irgendwie fällt es mir dieses Mal sehr schwer, die richtigen Worte für den Blogbeitrag zu finden. Seit Monaten warte ich darauf, dass ich euch wieder einmal etwas zum Thema Brustkrebs zu erzählen habe. Vielleicht liegt es daran, dass ich der Krankheit nicht mehr viel Platz in meinem Alltag gelassen habe. Nach meiner letzten Kontrolle und anschliessenden MR-gesteuerten Biopsie war ich auch wirklich bedient. Nachdem sich die „kleine Unsicherheit im Narbengewebe“ als harmlose Fibrose herausgestellt hatte, konnte mich der Krebs auch wirklich mal gerne haben. Die Narben von dieser Prozedur mussten erst einmal verheilen. Physisch und psychisch. Aber bekanntlich ist „nach der Kontrolle“ ja auch „vor der Kontrolle“. Und so stand vor kurzem wieder die MRI Nachkontrolle der vorherigen Biopsie an.
Ich hatte versucht, den Termin so normal wie möglich in meinen Alltag einzubauen, hatte extra darauf geachtet, dass die Abklärung nicht mit der Geburtstagsfeier meines Sohnes kollidiert. Doch kaum war alles vereinbart, ging es langsam wieder los mit den Schmerzen, Stichen, Verhärtungen in meiner Brust. War es Zufall, dass sie immer dann schlimmer wurden, wenn eine Kontrolle anstand? Oder war in dieser Zeit einfach mein gesamtes Bewusstsein auf meine Brüste konzentriert? Der Termin war in vier Wochen und so ging die Zeit des Wartens wieder los.
Sie war gefüllt mit all dem, was so ein nach-dem-Krebs-Leben zu bieten hat: ablenken, verdrängen, kurz einmal die Nerven verlieren, sich selbst verdammen für den eigenen Pessimismus, sich selbst gut zureden, hoffen und die Hoffnung von aussen bestätigen lassen, dass alles gut ist, den Alltag wuppen und die negativen Gedanken immer wieder beiseiteschieben.
Die Untersuchung hatte ich dann so selbstverständlich wie möglich hinter mich gebracht. Ich war zur Arbeit gegangen, hatte mich dann für eine Stunde entschuldigt, war kurz über die Strasse gelaufen (die Klinik war schliesslich gegenüber) und hatte mich mit Michael Jackson im Ohr ins MRI gelegt. Kontrolle abgehakt für den Tag. So weit, so gut.
Doch schon zwei Tage später fragte ich mich, ob der Bericht wohl schon fertig sei. Meine Ärztin wollte mich anrufen, wenn sie ihn vorliegen hätte. Aber einen Tag würde ich mindestens noch warten müssen. Also widmete ich mich wieder meiner Arbeit. Ganze zwei Stunden. Dann überlegte ich mir, ob ich nicht eine Kollegin fragen sollte, ob der Bericht schon im System sei. Schliesslich sass ich durch meinen Job als Studienkoordinatorin ja quasi an der Quelle zu meinen eigenen Patientendaten. Doch was wäre, wenn der Bericht etwas Beunruhigendes beinhalten würde? Könnte ich dann weiterarbeiten, ohne mir etwas anmerken zu lassen? Vielleicht sollte ich doch lieber auf den Anruf meiner Ärztin warten.
Schlussendlich bat ich meine Kollegin, mir den Bericht auszudrucken, ohne ihn selbst zu lesen. Sorgfältig zusammengefaltet packte ich ihn in meine Tasche und fuhr nach der Arbeit zu meinem Massagetermin. Den wollte ich mir ja schliesslich nicht durch ein eventuell schlechtes Ergebnis versauen lassen.
Als ich am Abend mit meinem Mann vor dem Fernseher sass, fragte ich ihn, ob er den Bericht nicht lesen wolle. Irgendwie hatte ich keine Lust mehr auf den Inhalt. Schliesslich war ja grad noch alles in Ordnung. „Nun liess ihn endlich“, war das Einzige, was er noch sagte. Ein Griff in die Tasche, die Füsse hochgelegt, 30 Sekunden lesen und die Welt drehte sich immer noch weiter. Fazit: ‚Keine neuen Architektursstörungen‘.
Die Zeit des Wartens: Die Gedanken werden kreativ und driften in schlechten Zeiten manchmal zu sehr ins Dunkle ab. Die Zeit des Wartens ist geprägt von der Verarbeitung der Vergangenheit und der Hoffnung in die Zukunft. Fakt ist, dass die Zeit nach einer überstandenen Krebstherapie immer eine Zeit des Wartens bleiben wird. Warten auf einen positiven oder negativen Befund, auf eine immerwährende Bestätigung, dass alles in Ordnung sei. Und das in regelmässigen Abständen. Weil eines wohl nie wieder kommen wird: die Selbstverständlichkeit der Gesundheit.
„Weil eines wohl nie wieder kommen wird: die Selbstverständlichkeit der Gesundheit“ wie wahr, wie wahr 😐