„Also, ich glaube, den Brustkrebs können Sie nun ruhig zu den Akten legen“, sagte mir mein Onkologe vor ein paar Monaten bei meiner letzten Kontrolle in der Schweiz.
„Nach mehr als 5 Jahren krebsfrei sind die Mammografien für Sie ja wieder Vorsorgeuntersuchungen und keine Nachkontrollen mehr“, sagte der neue Radiologe, als ich vor einigen Wochen bei meiner ersten Brustuntersuchung in Deutschland antrat.
Da bewege ich mich nun. Mehr als sieben Jahre nach meiner Brustkrebs-Diagnose. Hoffnung, Mut, Selbstsicherheit machen sich in mir breit, dass er Brustkrebs wirklich da bleibt, wo er hingehört: in meine Vergangenheit.
Und so habe ich es gewagt. Habe es gewagt, einen Antrag bei einer privaten Krankenkasse zu stellen für eine Zusatzversicherung Klinik Spezial. Nicht, weil ich davon ausgehe, bald wieder in einer Klinik zu landen, sondern weil ich denke, dass auch ich eine Wahl haben sollte, wie ich mich im Krankenhaus behandeln lassen möchte.
Doch ich wurde abgelehnt. Einmal Krebs – zwar seit sieben Jahren gesund – trotzdem immer Krebspatientin! ABGESTEMPFELT! Meine Vergangenheit bleibt meine Gegenwart. Und das macht mich richtig wütend!
Der Antrag war schnell gestellt. Fünf Mausklicks im Internet und die Angabe, ob ich aktuell in relevanten Behandlungen stecke. Wahrheitsverpflichtete, wie ich bin, mache ich die Angabe Nachkontrolle Mamma-Ca., Diagnose 2011. Dass ich im deutschen Gesundheitssystem eigentlich schon wieder unter Vorsorge laufe, war mir zu dem Zeitpunkt noch nicht bewusst. Die Antwort kam auf dem Fuße:
„Ihnen können wir die gewünschte Versicherung jedoch leider nicht anbieten. Maßgeblich für unsere Entscheidung sind die vorgeschriebenen Nachkontrollen des Mamma-CA.“
Da ist er wieder. Der Krebs-Stempel. Die große, rot-leuchtende „K“ auf meiner Stirn, den ich in diesem Leben und diesem Gesundheitssystem nicht mehr loswerde, egal ob mich die malignen Zellen noch einmal heimsuchen, oder nicht.
„Was wunderst du dich?“, fragte mich mein Mann. „Nimm es doch nicht persönlich. Ist halt ne Versicherung.“
Doch, ich nehme es persönlich, denn ICH bin es, die keine freie Wahl mehr hat, weil der Krebs sie einmal in der Vergangenheit heimgesucht hat. ICH bin es, die immer wieder zwischen diesen beiden Welten pendelt: zwischen der Krebs-Welt, die mich in dieser Gesellschaft als schwachen Menschen darstellt und der „normalen, gesunden“ Welt, in der ich meine Angst vor einem Rückfall beruhigt zur Seite schieben kann. Mein Zwischenfazit nach sieben Jahren Krebsfreiheit lautet: Es gibt in meinem Alltag entweder nur die eine oder die andere Welt. Es gibt keine Welt dazwischen!
„Ärgere dich doch nicht so darüber“, sagte meine Mutter. „Was hast du denn erwartet?“
Doch ich ärgere mich über solch eine pauschale Ablehnung mit dem Zusatz, dass sie meinen kleinen, kerngesunden Sohn natürlich liebendgern versichern, ich aber für meine Ablehnung bitte Verständnis haben soll. Mich macht es wütend, dass es in diesem Gesundheits- und Krankenkassensystem augenscheinlich in erster Linie um niedrige Beiträge geht und sich meine Hoch-Risiko-Krebsvergangenheit ungünstig darauf auswirken würde. Eine Ablehnung war sehr wahrscheinlich, sagt auch mir mein Verstand, aber ich hätte doch zumindest erwartet, dass man vielleicht erst einmal die letzten Untersuchungsberichte anfordert, um das Risiko genauer überprüfen zu können. Denn Krebs ist nicht gleich Krebs, wie wir wissen. Und Vergangenheit muss nicht gleich Gegenwart, geschweige denn Zukunft bedeuten.
„Ich wusste gar nicht, dass der Krebs nach so langer Zeit immer noch Thema für dich ist“, sagte mir letztens eine Bekannte.
Doch ist er! Willkommen in meinen beiden Welten!