Vom Beruf zur Berufung

Ein Jahr lang war ich nun zu Hause. Ohne Job. War raus aus dem Beruf. Weil ich es wollte. Weil ich es brauchte. Habe mich um Haus, Kind und Hof gekümmert; und um den Umzug unseres Familienlebens von der Schweiz nach Deutschland, was wahnsinnig viel Bürokratie, Zeit und Nerven in Anspruch genommen hat. Ich hatte es mir so ausgesucht. Hatte sie selbst gewählt, diese berufliche Auszeit. Hatte sie wählen können, weil die Möglichkeit da war. Finanziell und organisatorisch. Was für ein Luxus!

Ich habe sie genossen – diese Zeit der freieren Zeiteinteilung. Weil ich mir seit meiner Krebserkrankung eigentlich nie richtig Zeit genommen habe, um einmal inne zu halten. Nach zehn Monaten Therapie ging es gleich weiter als PR-Beraterin. Kur oder Reha? Im Schweizer Gesundheitssystem nicht angezeigt. Die Überforderung kam nach wenigen Monaten. So weiter machen, wie vor der Krankheit konnte ich nicht mehr.

Glücklicherweise kam eine neue Möglichkeit auf dem Fuße. Der Job als Studienkoordinatorin im Onkozentrum. Ein Beruf, der aus vielen Gründen sinnvoll für mich war. Nicht zuletzt, weil die direkte Konfrontation mit anderen Krebspatienten maßgeblich meine eigene Krankheitsverarbeitung unterstützt hat. Fünf Jahre lang war es ein toller Beruf, aber doch nicht meine Berufung, wie ich feststellen musste. Die zunehmende Bürokratisierung des Gesundheitssystem und die aus meiner Sicht unverhältnismäßige Dokumentationspflicht in klinischen Studien haben mich mit der Zeit zu nah an den Schreibtisch und zu weit weg von den Patienten gebracht.

Und dann kam die berufliche Auszeit! ZEIT! Selbstbestimmte Zeit! Reich ist, wer sich solche eine Zeit leisten kann. Auch wenn das nicht bedeutet, dass ich nichts zu tun hatte. Zuerst hatten mein Mann und ich sehr viel Zeit und Arbeitskraft in unser neues Zuhause gesteckt. In mein Elternhaus, in das wir nach vielen Monaten und Jahren des Überlegens zurückgekehrt waren. Das halbe Haus haben wir während eines halben Jahres renoviert und in der anderen Haushälfte auf – naja, engerem Raum – gemeinsam mit meiner Mutter gelebt. Das Haus hatte es nötig: unsere Zeit, das Geld und unsere Arbeitskraft. Es wird schließlich bald fünfzig! Ich habe sie genossen, diese intensive und nicht immer reibungslose Familienzeit, doch ziemlich schnell wurde mir klar, dass auch dieses Dasein nicht meiner Berufung entspricht.

Dann habe ich angefangen zu schreiben: mein Buch, das ich schon so lange plane und für das irgendwie immer die Zeit gefehlt hat. Ein Kindheitstraum, der seit dem Brustkrebs auf meiner Liste der Dinge steht, die ich unbedingt und bedingungslos vor meinem Tod verwirklichen möchte. Also habe ich geschrieben. Und geschrieben. Und geschrieben. Es ist mir so leichtgefallen. Das Schreiben gehört in jedem Fall mit zu meiner Berufung. Soviel ist  schon mal klar.

Doch ein Buch schreibt sich (bei mir) nicht über Nacht und bald wurden die kritischen Stimmen wieder lauter – in mir und auch von außen: ob man denn vom Schreiben leben könne. Es sei ja ganz schön, diese Selbstverwirklichung, aber so langsam wäre es doch wieder Zeit darüber nachzudenken, wie ich in den Beruf zurück und Geld verdienen könne. Der Arbeitsmarkt würde ja schließlich nicht auf mich warten. Auf eine teilzeitarbeitende Mutter, die auch noch gewisse inhaltliche Ansprüche an ihre Aufgaben hat. Das Leben und all das, was wir uns drumherum gebaut haben, ist ja auch nicht gratis zu kriegen. Und das Schreiben: ein viel zu hohes Risiko, dass es eine ewige brotlose Kunst bleiben würde.

Und so haben ich mich wieder beruflich orientiert und schnell gemerkt, dass Beruf und Berufung für mich kaum voneinander zu trennen sind. Die viele Lebenszeit, die ich bei der Arbeit verbringe, ist zu kostbar, um sie mit nutzlosen Tätigkeiten zu verschwenden. Mein Beruf soll einen Sinn ergeben. Nicht nur für mich, sondern auch für andere. Und so mache ich mich auf die Suche und stelle mir wieder die Frage: was ist meine Berufung und wie wird daraus ein Beruf?

To be continued…

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