Camping des Alltags

Die Rückkehr war so schwer wie nie. Aus dem Urlaub in den Alltag. Schon am Stockholmer Flughafen fing es an: Menschenmassen, verspäteter Flug und ein Meer aus Smartphones und Tablets soweit das Auge reicht. Ein Kontrastprogramm zur Reduziertheit der letzten Wochen in unserem Camper. Die Überforderung war vorprogrammiert. Doch so leicht wollte ich mich noch nicht geschlagen geben.

Während um mich herum die allgemeine Aufmerksamkeit auf die schnellstmögliche Beschaffung digitaler Informationen gerichtet war, widmete ich mich demonstrativ langsam meinem analogen Buch. Ohne Push-Benachrichtigungen und Like-Aufforderungen. Im Flieger ging es dann munter weiter: die einen, die das Handy gar nicht mehr abstellen, mein Sitznachbar, der seine 50 Whats-App-Nachrichten checkt, sobald das Flugzeugfahrwerk erstmalig die Landebahn streift. Dass dann jeder Passagier im Terminal seine digitalen Verpflichtungen überprüft, während man am Transportband auf seinen Koffer wartet, gehört mittlerweile zum guten Ton. Und auch ich gebe diesem Automatismus nach. Hinterfrage nicht und lasse die ersten fünf Minuten Daueralarmsignal über mich ergehen. Während ich als Kind nach einem Urlaub noch den Eindruck hatte, dass sich rein gar nichts verändert hat, beschleicht mich heute durch die verpasste Informationsflut die wage Befürchtung, dass die Welt nach 3 Wochen Informationsabstinenz bereits eine ganz andere ist.

Zu Hause angekommen, lassen die von meiner Nachbarin säuberlich gestapelten Postberge die Gedanken an den doch erst verstrichenen Urlaub sehr schnell verblassen. Und es dauert genau einen Tag, bis mein Mann und ich – in der Absicht einen Film zu schauen – gemeinsam vor dem Fernseher sitzen, abwechselnd immer wieder auf unseren Smartphones rumtippen und uns bei Rückfragen zum eigentlichen Film maximal ein Viertel Ohr schenken. Zerstreute Aufmerksamkeit.

Die Krise überkam mich genau in diesem Moment, als ich das gestresste Gefühl und den permanent gereizten Unterton in meiner Stimme bemerkte. Parallel zu meinem Handy-Akku entlud sich auch meine eigene Energie wieder schneller. Sollte der positive Effekt des Urlaubs wirklich keine 24 Stunden angehalten haben?

Dabei war mein Leben in den vergangenen drei Wochen doch so einfach gestaltet. Und ich war nicht unglücklich damit: Ein übersichtliches 10-Quadratmeter-Heim auf Rädern, kein Internet, keine Statusmeldungen, keine permanenten Informationen über den schrittweisen Untergang der Welt. Zugegeben – anfangs fiel es mir nicht leicht, dieses neue Vakuum auszuhalten, aber nach einigen Tagen war meine Aufmerksamkeit vollkommen auf das Hier und Jetzt gerichtet. Was gibt es heute Abend zu essen? Reicht das Frischwasser noch und wie sieht es mit dem Gas aus? Und wann müssen wir den Toilettentank entleeren? Wir waren unterwegs – viele Kilometer auf verlassener Strasse, konnten einfach Blicke und Gedanken schweifen lassen und die Aufmerksamkeit auf das richten, was uns im selben Moment, und nur in diesem, umgab.

Und was mach ich nun daraus? Von Zeit zu Zeit versuche ich, mir einige der Campergrundsätze vor Augen zu führen und mein Leben immer wieder einmal danach auszurichten. Camping des Alltags sozusagen:

  • Achte immer auf die Strasse, die direkt vor dir liegt.
  • Schau immer mal nach links und rechts aus dem Fenster, denn manchmal können dich ungeplante Wege an wunderbare Orte führen.
  • Sei immer auf der Suche nach einem guten Stellplatz.
  • Wenn es dir an einem Ort nicht gefällt, probiere es doch mal woanders.
  • Plane ein, dass du zwischendurch immer wieder mal den Fäkalientank des Alltags entleerst.

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