„Vielleicht ist es ab nun deine Aufgabe, dein Leben nicht immer bei jedem kleinstem Verdacht entgleisen zu lassen.“
Diesen scheinbar simplen, aber manchmal schwierig umzusetzenden Ratschlag hatte mir meine Freundin bei unserem letzten Telefonat gegeben. Zuvor hatte ich ihr erzählt, dass ich wieder einmal etwas genauer abklären lassen muss. Dieses Mal in der linken Brust. Ort des Geschehens vergangener Krebsszenarien. 2017 beginnt doch wirklich genauso, wie 2016 aufgehört hat.
„Eine kleine Unsicherheit von 2 mal 5 mm“, hatte meine Ärztin mir per E-Mail geschrieben. „Winzig, aber kontrollbedürftig.“ Anstatt eine normale Mammografie durchzuführen, hatte sie mich vorab in eine MRI gesteuerte Mammografie geschickt, um einmal die Dynamiken in meinem Gewebe anzuschauen. Und da war sie nun – die kleine, grosse Unsicherheit, die der Radiologe in seinem Bericht erwähnt hatte.
„Das hat noch gar nichts zu heissen. Kommen Sie am Donnerstag zu mir und wenn ich es im Ultraschall auch noch sehe, dann müssen wir halt biopsieren.“ Heute war grade einmal Montag. Nachdem ich für fünf Minuten mal kurz die Nerven verloren hatte, entschied ich mich, meinem eigenen guten Vorsatz zu folgen und die Angst bis Donnerstag einfach zu ignorieren. Anstatt dessen hörte ich auf den Rat meiner Freundin und auf mein Bauchgefühl, das mir flüsterte, alles in mir sei in Ordnung.
Am Donnerstag wurde ich dann kurzentschlossen nochmals in die Mammografie geschickt. Meinen armen Brüsten und meiner Seele bleibt momentan auch nichts erspart. Als ich kurz danach im Wartezimmer sitze, frage ich mich ungewollt, ob ich in nächster Zeit wieder vermehrt Gast in dieser Einrichtung sein werde. Aber irgendwie habe ich grad keine Lust, darüber nachzudenken. Ein Gefühl von Trotz macht sich in mir breit. Anstatt dessen informiere ich mich lieber über den neuesten Klatsch aus Monaco in der GlücksPost.
Es dauert dieses Mal nicht lange, bis mich meine Ärztin in den kleinen abgedunkelten Raum bittet, um die Bilder zu besprechen. Da sind sie nun: meine Brüste in Überlebensgrösse auf den riesigen Bildschirm gezoomt. Schwarz-weisse Schatten und darin zwei rote Kringel. Das ist also der Bereich, über den wir sprechen. Kaum zu erkennen. Für mich sieht er nicht anders aus, als die schon bekannte Verkalkung daneben. Als meine Ärztin nochmals für ein kurzes Telefonat den Raum verlässt, sitze ich alleine in der Dunkelheit. Mit meinen Brüsten. Schwarz-weiss und in Farbe.
Tausend Gedanken jagen mir durch den Kopf: warum sitze ich eigentlich nach 4 Wochen schon wieder hier? Hätte ich die Brust vor 5 Jahren lieber gleich abnehmen lassen sollen? Sollte ich das vielleicht jetzt noch nachholen? Hätte ich dann mehr Ruhe vor dem Krebs?
Am Ende der 1-stündigen Analyse der Bilder und eines nochmaligen Ultraschalls steht das Urteil fest. Diese Kontrolle hat keine Antworten gegeben, sondern nur noch mehr Fragezeichen aufgeworfen. Nachdem ich so oft durch Röhren, Röntgenplatten und Ultraschallköpfe geschoben wurde, kann man den Krebs also immer noch nicht fassen, oder eben ausschliessen. Vielleicht ist er wieder da. In einem sehr, sehr frühen Stadium. Vielleicht auch nicht. Der Vorschlag von meiner Ärztin: wir holen die Unsicherheit raus, um den Prozess abzuschliessen. In einer MR gesteuerten Biopsie. Es sei nicht toll, aber aushaltbar.
Müdigkeit macht sich in mir breit. Ich musste schon so vieles aushalten. Ich frage mich: muss ich wirklich? Es wieder aushalten? Die Nadeln in meinem Arm, das Rumgestochere in meiner Brust? Das Warten auf das Ergebnis? Die Unsicherheit? Und das bei einer Bildgebung, die alles bedeuten kann? Oder sollte ich eher auf mein Bauchgefühl vertrauen?
Ich beschliesse, dem Rat meiner Ärztin zu folgen. Aber noch nicht jetzt, sondern erst in ein paar Wochen. Nach meinen Ferien. Nach dem Besuch bei meiner Familie. Nach dem 60.ten Geburtstag meiner Schwiegermutter. Nach meinem kurzen Wellnessaufenthalt mit meiner Freundin, die ich so selten sehe. Vorher hat der Krebs in meinem Leben nichts mehr zu suchen, beschliesse ich. Keine Biopsie. Keine Analyse. Keine Diagnose. Kein Hoffen und Bangen. Keine Antworten auf die Frage „Was wäre, wenn?“. Meine Ärztin gibt mir ihren Segen für diesen Plan. Ich mir auch. Und das mit gutem Gewissen.
Alles hat ein Ende, nur der Krebs hat keins. War er einmal im Körper, so ist er stets präsent und das für den Rest des Lebens. Er begleitet mich bei jeder Kontrolle. Bei jeder Freude über das positive Resultat. Bei jeder Angst, wenn unbekannte Schmerzen auftreten und in jedem angestrengten Gesichtsausdruck eines Arztes, wenn er mich mit Verdacht auf Metastasen untersucht. Er begleitet mich in meiner Unsicherheit, aber auch in meiner Freude, wenn mein Sohn seine ersten Schritte macht, denn ich kann mein Glück manchmal kaum fassen, dass ich das erleben darf.
Doch für die nächsten Wochen habe ich erst einmal genug vom Thema Krebs. Anstatt dessen möchte ich mich auf all die schönen Dinge konzentrieren, die meinen Alltag so lebenswert machen und meinem Körper einfach mal vertrauen. Eben einfach mal leben.
„Finde ich gut“, hat mein Mann mir gesagt. „Das sind ja für dich wie geschenkte 6 Wochen.“
Er hat Recht. Mein Leben – es ist mein Geschenk an mich. Ich habe es mir verdient.
To be continued….
Alles hat ein Ende, nur… SUPERSPRUCH!! Genau das ist es, darum habe ich ja gesagt, selbst wenn der Krebs weg ist, hat man ihn im Kopf. Trotzdem wünsche ich Dir viel Erholung, eine möglichst schnelle und nicht so schmerzhafte Untersuchung und dann ein glattes sattes Superergebnis. Ich hatte auch mal sowas, war auch nix. Aber abklären ist ja immer wichtig. Hilft ja nix. ❤️
Vielen Dank für die lieben Worte!!! Auch wenn jede Krebsgeschichte anders ist, hat man danach doch recht häufig die gleichen Gedanken :-) Alles Liebe!!